Mein neuer Alltag


Seit 2 Wochen sind wir nun im Tschad, ein Land im Herzen Afrikas. Mittendrin also. Wir befinden uns nicht nur mitten in diesem großen Kontinent, sondern auch mitten in dem Prozess des Ankommens. Noch ist alles aufregend und neu, beeindruckend aber auch anstrengend. Viele neue Eindrücke, dazu viel Staub, Dreck, Müll, neue (teilweise unangenehme) Gerüche. Viel Armut. Und Hilflosigkeit unsererseits. Wie kleine Kinder sind wir auf andere angewiesen, können die Sprache nicht, linguistisch gesehen aber auch die Sprache der Kultur ist noch nicht unsere (wird sie es jemals werden?). Wir sind sehr dankbar für unser Team hier vor Ort, die uns wunderbar empfangen haben und uns helfen wo sie können. Ich bin unglaublich dankbar, dass wir einen guten Start hatten. Wir sind gesund und die Kinder sind offen für all das Neue. Sie spielen mit den Nachbarskindern und lieben es, die Einheimischen (mit der rechten Hand!) zu grüßen. Das ist hier sehr wichtig und freut die Einheimischen immer sehr, wenn unsere Jungs ihnen die Hand entgegenstrecken. 
Damit ihr einen kleinen Eindruck davon habt, wie unser „Alltag“ gerade aussieht, beschreibe ich euch einfach mal meinen heutigen Tag. 
Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr. Es ist hell und die Temperaturen sind morgens angenehm kühl. Um 7 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch mit angezündeten Adventskerzen auf dem Tisch. Jemand betet und dankt, dass die Sonne scheint. Ich muss schmunzeln. In Deutschland haben wir wirklich oft gedankt, wenn die Sonne schien, weil es nicht immer so war. Hier haben wir jeden Tag Sonne. Aber ist es nicht oft so im Leben?, denke ich. Wenn man etwas immer hat, nimmt man es als etwas Selbstverständliches hin und hört auf dafür zu danken…
Nachdem alle ihre Malariaprophylaxe eingenommen haben, räumen wir den Tisch ab. Momentan kommt zweimal in der Woche eine einheimische Frau, die mir verschiedene Dinge im Haushalt abnimmt, damit ich mich auf das Sprachelernen konzentrieren kann. Viele Dinge des Alltags kosten generell, aber vor allem mir als Nicht-Einheimische, viel mehr Zeit und Kraft, sodass ich wenn ich alles alleine machen würde, zu nichts anderem mehr käme. So ist es sehr üblich, eine Haushaltshilfe zu haben und wir freuen uns, dass wir auf diese Weise jemandem einen „sicheren“ Job geben können. Hinzukommt, dass man wahrscheinlich sehr geizig wirken würde, wenn man keine hätte…
S. kommt um 8 Uhr und beginnt mit ihren Aufgaben. Bis zum Sprachunterricht, mit dem wir eine Woche nach der Ankunft begonnen haben, habe ich nun noch 2 Stunden Zeit. In meinem Bauch grummelt es und ich befürchte den ersten Durchfall. Zum Frühstück gab es „Gateau“, frittierte Teigteilchen mit viel Fett. Aber nach ein paar Minuten geht es wieder. Ich räume auf, höre mir nochmal die letzten Sprachaufnahmen an und gehe den Bedürfnissen der Kinder nach (Mila stillen, Malzettel und Stift bereitstellen, Loben, Fragen beantworten…). Um 10:15 Uhr beginnt der Sprachunterricht bei uns Zuhause. Zu uns kommt ein „Sprachpate“, der die Sprachlernmethode sehr gut kennt und uns super in die Sprache einführt. Der Unterricht macht Spaß und danach fühlt sich unser Kopf wie ein Schwamm an, der gerade in eine Schüssel Wasser gelegt wurde. 
Unsere Kinder werden in der Zeit in unserem Hof von einer Kurzzeitlerin betreut und Jamila schläft. Der Unterricht dauert 1,5 Stunden und das reicht uns für den Anfang. 
Heute gibt es zum Mittagessen ein typisch tschadisches Gericht: Hirsekloß mit „roter Soße“ (Gulasch). Die letzten Tage haben wir immer am Tisch gegessen, aber an dem Blick  und den Worten von S. erkenne ich, dass wir das heute unmöglich tun können. Ein typisch tschadisches Gericht am Tisch essen? Keine Chance! Wir breiten unsere Matte im Hof aus und setzen uns alle darauf. In die Mitte wird ein großes Tablett mit dem Essen gestellt und wir essen alle davon, mit der sauberen rechten Hand, ohne Besteck. Das ist mit drei kleinen Kindern wahrlich ein Abenteuer, aber wir gewöhnen uns Stück für Stück daran und wollen bewusst beides machen: „Tschadisch“ und „Deutsch“ essen. 
Leider schmeckt einem unserer Kinder der Hirsekloß so garnicht und wir versuchen ihn zum Probieren zu animieren. 
Nach dem Mittagessen wäscht S. alles ab und verabschiedet sich. Ich bin sehr dankbar für ihre Hilfe. Bei uns steht die Mittagspause an und die wird hier ganz hoch gehalten (zumindest von Jano und mir ;-). Diese Pause tut allen gut und vor allem hier, wo man von all dem Neuen müde ist. Die Kinder schlafen nun auch wieder, was sie in Deutschland nicht mehr gemacht haben. Nach der Mittagspause machen wir ein Kaffeetrinken. Dabei genießen wir noch den mitgebrachten Kaffee aus Deutschland. Hier wird fast ausschließlich löslicher Kaffee getrunken, der andere ist sehr viel teurer. S. hat einen Kuchen gebacken und es gibt frische Ananas. So lecker!
Während Jano etwas erledigt, bastele ich mit den Kids weihnachtliche Bilder. Wir machen Schneelandschaften und Schneemänner aus Watte und schmücken schneebedeckte Tannenbäume aus Pfeifenputzer auf Papier, während wir in kurzer Hose und T-Shirt und bei über 30 Grad am Tisch sitzen. Ungewohnt, diese Adventszeit ist wirklich so ganz anders. 
Dann spielen die Kids noch etwas im Hof mit den einheimischen Kindern. Der Tag neigt sich langsam dem Ende zu. Um 17:30 Uhr ist es dunkel und man versucht, dann Zuhause zu sein. Auch die Mücken schlagen ab dann vermehrt zu und so verlagert sich alles nach drinnen. Jano hat frisches Fladenbrot mitgebracht und wir probieren es zum ersten Mal. Hier sind die Möglichkeiten des Essens viel beschränkter. Die Masse an Auswahl, wie wir sie aus dem Supermarkt in Deutschland kennen, gibt es hier nicht ansatzweise. Und es tut irgendwie so gut. Statt der Qual der Wahl und viel zu vielen Auswahlmöglichkeiten, ist das Leben hier einfacher. Und wie sagt man so schön: Not macht erfinderisch. Hier gibt es viel Tomatenmark. Und Butter ist preislich ok. Also habe ich fürs Abendessen spontan eine Tomatenbutter mit getrocknetem Basilikum gemacht und sie schmeckt uns allen. 
Im Verlauf des Tages hören wir uns immer wieder die Sprachaufnahmen an und prägen uns die neuen Wörter ein. Und ich staune, wie schnell man sie tatsächlich lernt. Zumindest der passive Wortschatz vergrößert sich von Tag zu Tag. Das motiviert mich. 

Die Jungs schlafen. Mila ist leider noch länger wach, sodass wir keinen ruhigen Abend zu Zweit haben. Aber es wird ruhiger. Äußerlich und innerlich darf ich abschließen mit diesem Tag, den Gott gemacht hat. Und an dem er uns beschenkt hat. Ja, wir sind auch schuldig aneinander geworden. Wenn man an seine Grenzen kommt, dann fehlt einem manchmal die Kraft dafür, Geduld für den anderen aufzubringen. Dabei würde Gottes Geist uns doch so gerne genau diese füreinander geben. Doch wie so oft sind wir uns genau dessen nicht bewusst und versuchen es alleine. Wir suchen Vergebung und Frieden kehrt ein. Ich habe ein Bett zum Schlafen und darf in der Sicherheit und Geborgenheit meines Vaters einschlafen. Danke, Gott! Du bist gut. Nicht weil es mir gut geht. Sondern weil es eine feststehende Eigenschaft deines Charakters ist.       

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