Der Tschad gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Hauptstadt hat ein paar zentrale Straßen, die asphaltiert sind. Sobald man diese allerdings verlässt, fährt man auf Sand und Staub. Dreck und Müll liegen überall herum, während tödliche Krankheiten kursieren. Nicht selten wird man von bettelnden Kindern angesprochen. Ein Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit breitet sich dann immer in mir aus. Denn wie kann ich wirklich helfen? Kann ich wirklich helfen? Das Thema „Armut-Reichtum“ ist uns nun präsenter denn je und beschäftigt mich konkret.
Momentan lese ich das Buch „Keine Kompromisse. Jesus nachfolgen - um jeden Preis“ von David Platt (sehr empfehlenswert!) und in einem Kapitel spricht er über reiche Christen und eine Welt voller Armut. Ich denke, gerade als Christen ist es unsere Verantwortung, uns mit diesem Thema zu beschäftigen und in der Bibel zu schauen, wie wir damit umgehen sollen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein paar Gedanken weitergeben, die ich aus dem Buch mitgenommen habe und die mir wichtig geworden sind.
Wenn du die Bibel kennst, dann ist dir die Geschichte von dem reichen Mann in Lukas 16 bekannt. Dieser lebte im Luxus und ignorierte dabei einen armen Mann namens Lazarus. Dieser saß mit Geschwüren übersät vor dem Tor des Reichen, umringt von Hunden, und aß die Abfälle vom Tisch des Reichen. Dann kam der Tag, an dem beide starben. Während der arme Mann in den Himmel kommt, landet der reiche Mann in der Hölle. Letzterer bittet um Erleichterung seiner Höllenqualen. Die Antwort vom Himmel ist: „Kind, gedenke, dass du dein Gutes völlig empfangen hast in deinem Leben und Lazarus ebenso das Böse. Jetzt aber wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und zu diesem allen ist zwischen uns und euch eine große Kluft festgelegt, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können, noch die, welche von dort zu uns herüberkommen wollen.“ (Lukas 16, 25-26).
Die Geschichte illustriert die Antwort Gottes auf die Nöte der Armen. „Lazarus“ bedeutet wörtlich „Gott ist meine Hilfe“. Natürlich macht Armut allein einen Menschen noch nicht gerecht vor Gott. Gleichzeitig zeigt sich beim Blättern durch die Bibel, dass Gott die Armen, die ihm vertrauen, erhört, versorgt, satt macht, rettet, verteidigt, erhebt und ihnen Gerechtigkeit verschafft (Hiob 34, 28; Psalm 68, 10; 22, 26; 35, 10; 32, 3; 140, 12; 1. Sam. 2, 8).
Aber diese Geschichte illustriert auch, wie Gott auf diejenigen reagiert, die die Armen nicht beachten. Er antwortet ihnen mit Verdammnis. Auch an dieser Stelle lehrt die Bibel nicht, dass Reichtum allein schon Ungerechtigkeit beinhaltet oder Verdammnis nach sich zieht. Der Reiche in der Geschichte ist nicht in der Hölle, weil er Geld hatte, sondern weil er nicht an Gott glaubte. Das führte dazu, dass er im Luxus schwelgte und dabei die Armen vor seinem Tor ignorierte. Die Erde war sein Himmel und die Ewigkeit wurde seine Hölle.
Nun eine spannende Frage:
Wenn wir diese Geschichte aus Jesu Mund hören, mit wem identifizieren wir uns dann mehr? Mit Lazarus oder mit dem reichen Mann? Mit wem identifiziere ICH mich mehr?
Kann es ein, dass Gott durch das Nachdenken darüber einen blinden Fleck in meinem, vielleicht auch in deinem, Leben aufdecken will?
Ich nehme mal an, dass wir uns nicht immer als reich einstufen. Aber tatsächlich gehören wir zu den reichsten 15% der Weltbevölkerung, wenn wir fließendes Wasser, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Essen haben und wenn wir zudem Verkehrsmittel benutzen können, selbst wenn es öffentliche sind. Ich glaube, ich sehe dem reichen Mann ziemlich ähnlich.
David Platt schreibt davon, dass ihm am meisten Angst macht, dass wir so tun können, als wären wir Menschen Gottes. Wir glauben, dass unser Verhalten biblisch ist (zu dem z.B. gehört, Millionen für Gemeindegebäude auszugeben). Und so ging es auch den Jüngern Jesu. Deshalb waren sie auch so schockiert, als Jesus von der Unterhaltung mit dem reichen Mann wegging und sagte: „Wie schwer werden die, welche Güter haben, in das Reich Gottes hineinkommen!“ Der Vers direkt danach: „Die Jünger aber erschraken über seine Worte.“ (Markus 10, 23-24).
Die Antwort, warum sie erschraken, ist in der Geschichte des Alten Testamentes zu finden. Vom Anfang des Volkes Israel an hatte Gott versprochen, sie materiell zu segnen. Gott überhäufte Abraham, Isaac, Jakob und Joseph mit materiellen Segnungen. Er versprach seinen Leuten, dass sie in überfließendem materiellen Wohlstand leben würden, wenn sie ihm gehorchten. Warum das Versprechen materiellen Besitzes? Gott war dabei, sich ein Volk zu formen, das allen anderen Völkern seine Größe zeigen sollte. Damit schuf Gott einen Ort, an dem sein Volk und seine Ehre wohnen konnten. David und Salomo häuften riesigen Wohlstand an, während sie ein Königreich errichteten. Ein wichtiger Teil war der Tempel, den Salomo bauen sollte. Materieller Segen mit dem Ziel, das Volk Gottes an einem geografischen Ort mit einem physischen Tempel anzusiedeln, ist ein grundlegender Teil der Geschichte Israels. Als nun der reiche Jüngling (Markus 10) zu Jesus kommt und er ihn auffordert, alles zu verkaufen, was er hat und den Armen zu geben, waren die Jünger natürlich verwirrt. Warum sollte Gehorsam Christus gegenüber dazu führen, dass dieser Mann seinen Besitz verlor?
Die Jünger würden bald verstehen, dass eine radikale Veränderung im Gange war. Nicht, dass Gott sich verändert hatte oder der Gott des Alten Testamentes sich irgendwie vom Gott des Neuen Testamentes unterschied. Stattdessen entfaltete sich der ewige Plan Gottes und - jetzt wird es spannend! - leitete eine neue Phase in der Heilsgeschichte ein - eine, die das Verhältnis zwischen Glauben und materiellem Segen beeinflussen würde.
Keiner der Lehrer des neuen Testamentes, einschließlich Jesus, verspricht materiellen Besitz als Folge von Gehorsam. In dem Buch „A biblical Theology of Material Possessions“ kann man folgendes lesen: „Das Neue Testament führt die grundlegenden Prinzipien des Alten Testamentes und des Judaismus zwischen den Testamenten mit einer auffälligen Auslassung fort: An keiner Stelle wurde materieller Wohlstand als garantierte Belohnung für geistlichen Gehorsam oder einfache harte Arbeit versprochen. Materielle Belohnung für Frömmigkeit taucht in Jesu Lehre nie wieder auf und wird durchgängig bestritten.“
Wir werden im Neuen Testament nicht dazu aufgefordert, einen majestätischen Ort der Anbetung zu bauen. Stattdessen wird den Leuten Gottes gesagt, dass sie selbst der Tempel sein sollen - der Ort der Anbetung (1. Kor. 6, 19). Und ihre Besitztümer sollen nicht dafür eingesetzt werden, einen Ort zu bauen, an denen Menschen kommen können, um Gottes Herrlichkeit zu sehen, sondern ein Volk zu bauen, dass die Ehre Gottes in die Welt hinausträgt. Haben wir diese Veränderung in der Heilsgeschichte im Hinblick auf unseren Umgang mit unserem Besitz berücksichtigt? Herrscht nicht die Annahme unter uns Christen, dass es uns materiell gut gehen wird, wenn wir Gott folgen? Dieses Denken steht deutlich im Vordergrund des „Wohlstands-Evangeliums“. David Platt berichtet von einem Gespräch, dass er mit einer gläubigen Frau im Ausland in einer Gemeinde im Untergrund hatte. Sie sagte: „Ich habe einen Fernseher und ab und zu kann ich Sender aus den USA empfangen. Einige dieser Sender übertragen Gottesdienste. Ich sehe die Prediger und sie sind sehr fein angezogen und predigen in sehr schönen Gebäuden. Einige von ihnen sagen mir sogar, dass ich auch solche Dingen besitzen kann, wenn ich nur genug Glauben habe. Wenn wir uns als Gemeinde treffen, schaue ich mich um und die meisten von uns sind sehr arm. Wir versammeln uns unter großer Lebensgefahr. Heißt das, dass wir nicht genug Glauben haben?“
In dem Moment ist ihm das Ausmaß bewusst geworden, in dem Gemeinden und Christen in Amerika (aber sicherlich auch woanders) eine Theologie exportieren, die Glauben an Christus mit Wohlstand in dieser Welt gleichsetzt. Und das ist absolut nicht das radikale Bild von Christsein, das wir im Neuen Testament sehen.
Ist Jesus der Herr über unser Leben? Erwarten wir von Jesus Ratschläge, die nach den Maßstäben dieser Welt um uns herum finanziell vernünftig scheinen? Oder erwarten wir von Jesus völlige Autorität über unser Leben, auch wenn das bedeutet uns gegen alles zu stellen, was unsere Kultur und vielleicht sogar unsere religiösen Nachbarn raten würden? Jesus hatte nie vor, eine Stimme von vielen zu sein, die uns Ratschläge geben, wie wir unser Leben führen und unser Geld verwenden sollen. Jesus beabsichtigt immer, die EINE Stimme zu sein, die uns in allen Entscheidungen des Lebens und unserer Finanzen führt.
Danke liebe Judith für deine tiefen Gedanken zum Thema 'Materieller Besitz' mit all den biblischen Belegen und Linien, die du aufmachst. Sehr erhellend! Vielen Dank und liebe Grüße aus Deutschland!
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