Wenn das eigene Kind stirbt

 


In jedem Land der Erde verlieren Eltern ihre Kinder. Je länger wir hier im Tschad leben, desto mehr realisiere ich, dass es hier aber fast keine Frau gibt, die noch nie ein Kind verloren hat. Da ist unsere taubstumme Nachbarin, auf dessen Geburt ihres Kindes wir die letzten Wochen warteten. Ein Hirtenjunge, der vor unserem Tor seine Schafe hütete, überbrachte mir dann die traurige Nachricht, dass das Kind bei der Geburt gestorben ist. Letzte Woche dann die nächste traurige Nachricht, dass das drei Monate alte Baby einer anderen Frau aus der Nachbarschaft gestorben ist. Das letzte Mal besuchte ich sie, als sie gerade entbunden hatte, zum Ramadanfest. Fröhlich hielt sie ihr Neugeborenes im Arm. Und jetzt ist es tot. 

"Warum? Was ist passiert?", höre ich mich aufgeregt fragen. 

"Malaria." 

Malaria ist hier die Standardantwort, wenn man nach dem Grund fragt, warum jemand gestorben ist. Die Antwort ärgert mich. "Nein, das kann doch nicht immer nur Malaria sein. Das kann ich nicht glauben." Und: Natürlich ist es nicht immer Malaria. Und ja, oft könnte man helfen, wenn die Leute früher zum Arzt gehen würden. 

Krankheit und Scham liegen eng beieinander und ich glaube, Malaria ist so weit verbreitet, dass es die am wenigsten schambesetzte Krankheit ist. So dient diese Standardantwort auch als Schutzmantel vor sozialer Ausgrenzung. 

In den letzten Tagen ist mir aber noch etwas anderes neu bewusst geworden: Wir versuchen so schnell eine Antwort auf das "Warum" zu bekommen. Das "Warum" ist so eine zentrale Frage im Leid für uns. Wir suchen Antworten, weil wir denken, sie würden uns zufriedenstellen. Regina Neufeld, die selbst ein Kind verloren hat, sagte in einem Interview mal, dass sie eigentlich keine Antwort von Gott auf das "Warum" haben wollte. Denn sie wusste: Die Antwort würde sie nie zufriedenstellen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. 

Das mit dem "Warum" ist bei den Leuten hier anders. Auf mich wirkt es manchmal so, als hätten sie aufgegeben, stagniert, sich ihrer Ohnmacht hingegeben. Leid ist Teil ihres Lebens. Und häufig nehmen sie es auch als einfach "gottgewollt" hin, so weit, dass die eigene Verantwortung nicht mehr wahrgenommen wird. 

Die Frauen sind so abgehärtet von der Härte des Lebens. Es macht mich traurig, das zu sehen und ich möchte mich von dem Leid um mich herum nicht "abstumpfen" lassen. Ich will, dass Leid mich bewegt und Betroffenheit in mir auslöst. Und vielleicht ist gerade das eine große Herausforderung in meinem - vielleicht auch manchmal in deinem - Leben: Zuzulassen, dass Leid etwas in dir bewegen darf, aber dich nicht einnehmen darf. Ich glaube, dass das mit Jesus in meinem Leben möglich ist. Er wurde innerlich bewegt vom Leid der Welt. Er begegnete der größten Not ganz persönlich. Aber er hat all das überwunden. Er hat das besiegt und es wird in naher Zukunft kein Leid mehr geben. In dieser Hoffnung darf ich leben und wissen: Jesus wurde vom Leid eingenommen und er hat es überwunden! In der Ewigkeit wird es all das Schlimme und Böse in dieser Welt nicht mehr geben.



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