Wenn du zufällig im Tschad geboren wärest...


 

...sähe dein Leben ziemlich anders aus. 

Als Frau habe ich natürlich mehr Einblick in das Leben von Frauen und Mädchen und heute will ich dich teilhaben lassen an ein paar kleinen Einblicken in ein Leben, in das wir genauso hätten hineingeboren werden können. 


Vor ein paar Tagen fragte ich eine (einheimische) Bekannte, wie es ihr mit ihren Nachbarn geht. Sie ist vor ein paar Monaten umgezogen und hier im Tschad teilt man sich in der Regel mit anderen Tschadern einen Hof. Jeder hat zwar seinen mit Blech abgetrennten Bereich, doch die Toilette (also das Loch im Boden ;-) teilt man sich meistens mit den anderen. Wie auch immer...

Sie erzählte mir, dass die Familie mit den sieben Kindern, die auch in dem Hof wohnt, Probleme habe. Die Eltern streiten sich lautstark, inhaltlich konnte sie mir ziemlich genau sagen, worum es geht. Der Mann würde die Frau mit einem Kabel schlagen und nun ist es soweit: Sie wird weggeschickt. Mitnehmen darf sie nur ihr kleines Baby, alle anderen Kinder bleiben beim Vater. Hier kommt es ziemlich oft vor, dass Frauen von ihren Männern geschlagen werden und das macht mich traurig!


Andere Situation:

Ich bin im Krankenhaus, weil ich krank bin und untersucht werden muss. Dafür gehen wir ins Missionskrankenhaus und die Masse an kranken Menschen, die dort sitzen und warten, können das eigene Herz schwer werden lassen. Wie gut, dass es dieses Krankenhaus gibt und ihnen dort geholfen werden kann!

Ich sitze gemeinsamen mit ein paar anderen Patienten in einem kleinen Zimmer, in dem uns Blut abgenommen werden soll. Wir sind ca. 6 Patienten und warten darauf, an der Reihe zu sein. Eine Frau mit einem Kleinkind und einem Baby wartet ebenfalls. Das kleine Kind scheint krank zu sein und hat verständlicherweise Angst vor der großen Nadel. Wir haben einen kurzen Blickkontakt, ich schaue sie verständnisvoll an. Als die Frau an der Reihe ist, kommt sie auf mich zu und drückt mir ohne etwas zu sagen ihr Baby in den Schoß. So kann sie sich auf ihr anderes Kleinkind konzentrieren, während ich das Baby halte. So oft erlebe ich das hier: Wenn Not am Mann (oder an der Frau ;-) ist, dann ist man zur Stelle. Dann hilft man sich, egal ob man sich kennt oder nicht! Gleichzeitig bewegt mich die Tatsache, dass hier fast ausschließlich die Frauen für die Kinder zuständig sind. Wie viel Arbeit und Mühe sie doch oft mit ihren vielen Kindern haben, von denen nicht einmal jedes überlebt und die ihnen dann teilweise noch weggenommen werden. Und wie dankbar macht es mich für meinen Mann, der so präsent ist als Vater und Ehemann und mit dem ich gemeinsam für meine Kinder sorge. Der auch da ist, wenn sie krank sind und alle Sorgen mit mir zusammen trägt!


Eine weitere Situation: Diese Woche kam ein Mädchen zu uns, die neu in der Nachbarschaft sein muss. Ich kenne sie noch nicht. Sie ist sehr zart und dünn. Sie kommt mit ihrem kleinen Bruder und sie setzen sich auf die Matte in unserem Hof. Meistens reden die Kinder hier nicht viel und so frage ich sie verschiedene Dinge. Ich erkundige mich nach ihrem Alter. Sie antwortet mit ihrem schönen Lächeln: "Das weiß ich nicht. Das hat man mir nie gesagt." 

Das kommt sehr oft hier vor, dass die Menschen gar nicht genau sagen können, wann sie geboren sind. Und es scheint auch nicht so schlimm für sie zu sein...

Ich frage, was sie heute zum Mittag gegessen haben. Daraufhin antwortet sie, dass sie nichts gegessen haben. Und das glaube ich ihr sofort, so wie sie aussieht. Ich gebe ihr ein bisschen Reis, Zwiebeln und Erdnüsse mit. Sie bedankt sich von Herzen während meines bewegt ist darüber, unter welchen Bedingungen Kinder hier im Tschad oft aufwachsen müssen. Wie reich sind wir doch und wie dankbar bin ich, dass ich meinen Kindern jeden Tag mehr Essen geben kann, als sie bräuchten. Wie schlimm wäre es, sie hungern sehen zu müssen!!

Was für ein Privileg es ist, in einem Land wie Deutschland geboren worden zu sein, wird einem natürlich vor allem dann bewusst, wenn man sieht, wie es "am anderen Ende der Welt" aussieht. Momentan auf Deutschland zu verzichten ist also irgendwie auch sehr gewinnbringend. Nur dass ich diesen Gewinn nicht anfassen kann, er ist nicht materieller Art, sondern bereichert das Herz, die Seele und den Geist. Denn einen Gott zu kennen, mit dem ich über all diese Dinge reden kann, ist so genial.

Welcher "Not" schaust du gerade ins Auge? Kannst du dich innerlich etwas distanzieren von dieser Not und sie vielleicht aus einer anderen Perspektive neu bewerten? Kann sie vielleicht sogar Dankbarkeit in dir hervorrufen und deine Beziehung zu Gott vertiefen?


3 Kommentare:

  1. Danke, liebe Judith für den Einblick in dein Herz und das Leben der Frauen und Mädchen im Tschad. Das hat mich sehr bereichert! Ich merke immer wieder, wie viel Ehre wir Gott geben allein schon durch unseren Dank. Denn Vieles nehmen wir selbstverständlich, obwohl es es nicht ist. Unser Dank zeigt, worauf wirklich unser Leben bauen.

    Sei lieb umarmt :)

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    1. Danke, liebe Anne, für deine Gedanken! Ich merke auch immer wieder, dass sich Undankbarkeit so leicht ins Leben einschleicht. Wie wichtig, sich immer wieder neu für Dankbarkeit zu entscheiden!

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    2. Danke, liebe Anne, für deine Gedanken! Ich merke auch immer wieder, dass sich Undankbarkeit so leicht ins Leben einschleicht. Wie wichtig, sich immer wieder neu für Dankbarkeit zu entscheiden!

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