Es gibt Tage...


Es gibt Tage, an denen würde ich lieber im Bett liegen bleiben, als aufzustehen. Tage, die beginnen mit Streit zwischen den Kindern, Zeitdruck oder einer schlechten Nacht (am besten alles zusammen), was dazu führt, dass es mir schwer fällt, geduldig und liebevoll zu sein. Tage, an denen Jamila beim Frühstück so laut schreit (sie hat gerade eine Phase, in der sie einfach so laut schreit, dass mir die Ohren weh tun), sodass ich sie in ihrem Hochstuhl in unseren Hof und raus aus der Küche stelle. Tage an denen ich mich morgens für 5 Minuten in den Sessel setzen will, um noch ein kurzes Gebet loszuwerden und ein paar Verse aufzunehmen, aber das Sitzen von Mama im Sessel für die Kinder bedeutet: Oh wie schön! Mama hat jetzt Zeit und kann mit mir ein Buch anschauen. 
Es gibt Tage, da funktioniert der Sprachunterricht nur mäßig, weil eines der Kinder ständig stört und reinkommt.
Tage an denen ich am Tor stehe und die Taschen einheimischer Kinder kontrolliere, weil sie immer wieder Spielzeug unserer Kinder klauen, wenn sie zum Spielen bei uns waren. Und es gibt Tage, an denen ich tatsächlich Zeug in ihren Taschen finde, sie mich beschämt anschauen und ich nicht nur meine eigenen, sondern auch noch diese Kinder "erziehen" muss. 
Es gibt Tage, da gehe ich raus, um Nachbarinnen zu besuchen und bekomme von den Frauen nur vorwurfsvoll zu hören: Wo warst du? Du hast mich lange nicht besucht!
Und wenn ich dann antworte, dass sie doch auch lange nicht bei mir waren, ist immer die Antwort von allen Frauen: Doch, ich war da. Aber du hast die Tür nicht aufgemacht. Und ich weiß, dass das eigentlich nicht sein kann, weil ich so gut wie immer Zuhause bin. Aber Vorwürfe beschämen den anderen und wahren das eigene Gesicht. Es gibt auch Tage, an denen ich mich frage, was unser Leben hier für unsere Kinder bedeutet und ob ihnen nicht etwas wichtiges fehlt. Tage an denen ich ich es nicht zusammenkriege, dass vor unserem Tor Kamele entlanglaufen und unsere Nachbarn Nomaden sind, die damals (gedanklich) nicht weiter weg von mir hätten sein können und deren Leben sich so unglaublich von dem meinen unterscheidet. 
Es gibt Tage, da habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mal wieder nicht die geduldige Mama war, die ich sein möchte. Tage, an denen ich überfordert war mit der Wut und der emotionalen Überforderung meines Sohnes, der vor mir steht und mich ohne Ende haut und tritt. In den Arm nehmen? Geht nicht. Weggehen? Er kommt mir hinterher - hauend und tretend. Auf ihn einreden? Keine Chance! Ich bin doch auch nur ein Mensch.
Es gibt Tage, da bin ich ehrlicherweise genervt von Dingen in der Kultur. Da nervt es mich, dass meine Sprachpatin unseren Kindern täglich ein Bonbon in die Hand drückt, obwohl ich ausdrücklich und mehrmals erklärt habe, dass sie das nicht jeden Tag tun muss/soll. Zu spät. Jetzt ist zumindest Jamila konditioniert und verbindet mit meiner Sprachpatin nur noch eines: Bonbon. Kaum klopft sie am Tor, rennt Mila ihr entgegen. Was sie dabei ruft, brauche ich euch nicht zu sagen. 
Tage an denen es mich nervt, dass die einheimischen Kinder entweder total verwöhnt oder extrem grob behandelt werden. Da nervt es mich, dass sie meistens wie apathisch dasitzen und nicht gefördert/erzogen/gepflegt werden. 
Es gibt Tage, da nervt mich der ganze Sand in der Wohnung, die Kakerlake in der Küche und die Grillen im Wohnzimmer. 
Es gibt diese Tage, die ich gerne löschen würde. Reset. Bitte nochmal von vorne. 
Aber das geht nicht. Auch diese Tage gehören dazu.

Ich bin so dankbar, dass ich trotz des trubeligen Alltags und trotz eben "dieser Tage" und allem, was bei uns so los ist, immer noch an meinem Bibelleseplan dran bin (siehe hier). Gestern las ich in Sprüche 16, 32:

"Es ist besser, geduldig zu sein als mächtig. Es ist besser, Selbstbeherrschung zu besitzen, als eine Stadt zu erobern."

Wie oft will ich in meinem Alltag die Stadt erobern! Wie oft betrachte ich meinen Alltag als eine Stadt, die eingenommen werden muss. Wie in einem Kampf. Wie oft will ich Herr meines Alltags sein. Kontrolle haben. 
Doch hier werden Geduld und Selbstbeherrschung gelobt und betont. 
Früchte des Geistes, Dinge, die im Herzen ihren Ursprung haben und von Gott kommen. 
Wie schön ist es, nach diesen Dingen zu streben. Eigentlich sollten sie ganz oben auf unserer To-do-Liste stehen. Aber eben nicht aus eigener Kraft. Sondern aus Gottes Kraft, der in den Schwachen mächtig ist.
Seid gesegnet!


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